tscham seon

(Fortsetzung)

Gewissen- was ist das?

Man könnte sagen, daß das Gewissen ein Spiegel für das originale Sich, für unser Selbst, für unser ureigenes Wesen ist. Mit Hilfe dieses Gewissens können wir den "Schmutz", der in uns ist, sichtbar machen. Aber auch das Gewissen kann ebenso wie der Spiegel schmutzig werden, wenn man es nicht regelmäßig "putzt". Hier stellt sich selbstverständlich die Frage, wie kann man überhaupt sein Gewissen "säubern"? Wie soll das vonstatten gehen? Darauf möchte ich später noch eingehen. Zunächst möchte ich anhand einiger Beispiele verdeutlichen, wie unser Verhalten durch unser Gewissen geprägt ist, ohne daß wir uns dessen bewußt sind. Und genau dieses meistens spontane und unbewußte Handeln zeugt von unserem innewohnendem Gewissen, hat Aussagekraft.
Ein Beispiel: Zwei Kinder haben ein gleich großes Stück Kuchen von der Mutter bekommen. Jedes Kind schielt auf das andere Stück und empfindet es als größer. Schließlich tauschen die Kinder ihre Kuchenstücke und finden sich im Ausgangsdilemma wieder. Das andere Kuchenstück sieht wieder größer aus. Die Kinder bleiben weiterhin unzufrieden. Ein Beispiel für Erwachsene: Der beste Freund hat im Lotto gewonnen, natürlich kommen Nachbarn und Freunde um zu gratulieren. Aber auch der beste Freund hat beim Gratulieren die Frage im Kopf: "Warum gerade er und nicht ich?" Hätte ein Fremder gewonnen, wäre ihm das irgendwie lieber oder angenehmer oder einfach leichter zu ertragen gewesen.
Ein koreanisches Sprichwort drückt dies aus: "Wenn mein Schwager einen Acker kauft, tut mein Bauch weh."

Wandel der Werte

Das sogenannte Gewissen, das ich Spiegel genannt habe, ist aufgrund unterschiedlicher Kulturen, Mentalitäten, Lebenssystemen, Rollenverhalten, und politischen Hintergründen in jedem Land anders ausgeprägt. Durch unsere technisch ausgerichtete und hochentwickelte Zivilisation wurde auch der Mensch, seine Moral und Ethik, stark beeinflußt. All das beeinflußt auch unser Gewissen, beziehungsweise das, was wir darunter verstehen.
Ich möchte sagen, daß der Mensch in der modernen, technologisierten  Gesellschaft ziemlich verwirrt ist und sein Gewissen durcheinandergeraten ist, auch deswegen, weil sich traditionelle Werte verändern und keine neuen, wirklich tragfähigen entstanden sind. Der moderne Mensch sucht verzweifelt nach Ersatz für diese alten traditionellen Werte, meistens im Materiellen, dinglich Verhafteten und Vergänglichen. (Ein "verwirrtes" Gewissen sehe ich auch als Ursache für das Auseinanderdriften der Weltreligionen, und das obwohl sie doch das gleiche Ziel verfolgen.)

Säubern des Gewissens

Unter solchen Umständen ist es schwierig, das Gewissen "sauber" zu halten. Das ist ohnehin schon schwierig, ähnlich einem Anzug: je sauberer er ist, desto schneller wird er schmutzig. So sehr man sich bemüht ihn sauberzuhalten, irgendwann ist der Schmutz da. Wie schön und wünschenswert wäre es, wenn die Menschen ein so sauberes Gewissen hätten, wie wir es im göttlichen, dem absolut reinen Gewissen finden. Wir wissen nur allzugut, daß der Mensch diesem Ideal nicht entspricht. Eine große Schwäche des Menschen ist die Habgier, und daraus wiederum resultieren viele weitere negative Charaktereigenschaften. Und so kann ein kleiner Stein einen ganzen Steinschlag zur Folge haben. Und so wie sich unser Körper im Laufe der Jahre verändert, so formt sich langsam aber stetig unser Gewissen. Es wird mannigfaltig beeinflußt, beispielsweise durch Kultur, Religion und Zivilisation.
Zum Beispiel hatte im frühen Judäa, wenn ein Mann sich mit einer verheirateten Frau einließ, dies die Steinigung zur Folge; getreu dem Motto: "Auge um Auge, Zahn um Zahn." (Anbei bemerkt hat Jesus solche Zustände durch sein Verhalten und seine Liebe reformiert.) So etwas können wir uns heute nicht mehr vorstellen.

3000 Frauen

In Korea hat ein König früher mal 3000 Frauen besessen. Auch dies ist heute nicht mehr möglich. Unterschiedliche Einstellungen, z.B. zu den Frauen, sind aber auch heute noch vorhanden. Ein Mann kann mit mehreren Frauen zusammenleben oder nur mit einer Frau, oder die eigene Frau wird einem guten Gast zur Verfügung gestellt (Gastfreundschaft bei Eskimos). Diese Einstellungen entwickeln sich durch entsprechende Religionen und Kulturen und liegen in dem entsprechend geformten Gewissen begründet.
Ein anderer Fall: die Menschen haben sich früher bis zum letzten Atemzug nach allen Kräften aus Respekt und Liebe um ihre Eltern gekümmert. Das war eine große menschliche Stärke. Aber wie werden heute die älteren Leute von ihren Kindern behandelt? Sind wir uns nicht bewußt, daß wir alle den gleichen Weg laufen und alt werden?

Materielle Werte

Die jetzige Gesellschaft zeigt, daß unsere Kultur, Zivilisation, und Lebensweise schlechthin, durch eine starke Wertung an materielle Werte geprägt ist und daß der Mensch immer rücksichtsloser und egoistischer in seinem Verhalten wird.
Man kann sagen, daß die Menschen eine "egoistisch verfärbte" Brille tragen, mit der sie die Welt um sich herum wahrnehmen. Eine gefärbte Brille zu tragen bedeutet aber, daß die originalen Farben, das Eigentliche und Wesentliche, nicht mehr erkennbar sind.

Gefärbte Brillen

Wie gerne wird oft diese Sehens- und Lebensweise durch logisch zusammengebastelte Argumente begründet. Es gibt immer plausibel und triftige Argumente, die unser Verhalten rechtfertigen. Unser Verstand findet relativ problemlos das, was unser Gewissen erleichtert. Und allzuoft geben wir uns keine sonderlich Mühe, den anderen und seine Sichtweise zu verstehen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Tragen einer getönten Brille, die alles, was als störend empfunden wird, ausschließt. Durch die Brille erscheint die Welt schöner als das Original. Man sollte über den Vorteil, daß Blendung durch grelles Licht vermieden wird, nicht den Nachteil vergessen, nämlich daß Farben nicht mehr richtig gesehen werden können.
Leider sind die Menschen in unserer Gesellschaft immer mehr auf ihre eigenen Vorteile ausgerichtet. Sie werden immer egoistischer und rücksichtsloser, so daß alle Gedanken und Entscheidungen durch die "egoistisch getönte" Brille beeinflußt werden.
Gerade deswegen scheint es mir unerläßlich darauf bedacht zu sein, sein Gewissen zu "säubern". Hierzu muß man zunächst den "Schmutz" als solchen überhaupt erkennen wollen, um dann ein geeignetes "Putzmittel" wählen zu können. Für den einen kann das erfolgen, indem er die "heilige Stimme" (das Wort Gottes oder ähnliches) vernimmt und ihr folgt; für den anderen kann dies in der Form erfolgen, daß er sich einem guten Lehrmeister anschließt.