tcham seon
Zwei Wochen nach meiner Ankunft in Deutschland wurde ich von einem französischen Professor, der in meiner Heimatstadt in Korea unterrichtet hatte und außerhalb von Paris wohnte, eingeladen. Nachdem ich eine Woche bei ihm zu Besuch war, wollte ich alleine nach Paris fahren. Wir bereiteten die Sätze vor, die ich zum "Durchfragen" in Paris brauchte. Als ich mich dann auf die Reise machte, bekam ich zwar beim Herumfragen auch immer eine höfliche Antwort, aber auf französisch, was ich natürlich nicht verstand. Wieso hatte ich mich nur auf die Fragen und nicht auf die Antworten vorbereitet?Es scheint, dieses Erlebnis gehöre nicht hierher, aber es soll verdeutlichen, daß viele Leute sich um Erleuchtung bemühen, aber die helfende, innere Stimme nicht verstehen. Wir haben diese helfende Naturstimme aus dem Blick, den Kontakt zu ihr, verloren.
Wichtig ist die eigene Erfahrung
Ein einfaches Beispiel verdeutlicht dies: Wie schwer ist es einem Außenstehendem, der noch nie einen Apfel gegessen hat, seinen Geschmack zu schildern. Sauer, süß, saftig ... man müßte Umschreibungen finden, sich verbale Krücken bauen. Lassen wir diesen Menschen den Apfel doch einfach probieren - und weitere Worte werden überflüssig. Die eigene Erfahrung, das eigene Erleben, sind mit einer noch so gut mündlich oder schriftlich übermittelten Schilderung oder Beschreibung nicht zu vergleichen. Und: Erleuchtung ist so sicher, wie die Kartoffelernte der Bauern, nachdem er Kartoffeln gesät hat. Früher behaupteten die Weisen, durch Wissen verstehe man 10 Prozent, durch Erleuchtung aber erkenne man das Ganze (100 Prozent).
Vorab ein Beispiel, die Weihnachtsgeschichte.
Jedes Jahr zu Weihnachten bleiben viele Kinder lange in der Nacht auf, in der Erwartung, der Weihnachtsmann werde in seinem weißroten Kostüm und schneeweißen langem Bart auf seinem von Hirschen gezogenen Schlitten vom Himmel herab kommen, während sie schlafen. Voller Geschenke beladen, betritt er heimlich die Wohnung. Aber sie möchten nicht schlafen, möchten ihn ertappen, wenn er durch den Kamin kommt und harren, obwohl müde, voll Spannung und Erwartung aus.
Begreifen und Erleuchtung
Die Kinder glauben an die Weihnachtsgeschichte und zweifeln nicht im geringsten an ihren Wahrheitsgehalt. Wie sonst ließe sich deren Begeisterung erklären? Aber die Kinder wachsen, sie werden älter und fangen an zu zweifeln und zu hinterfragen, sie erkennen allmählich, daß es ihren Nikolaus nicht gibt, sie sind enttäuscht. Später lachen sie darüber, sagen schmunzelnd, daß sie ganz klein waren, als sie daran glaubten und gestehen auch ein, daß dieses "naive Glauben" ja auch schön war.
Das Kind konnte durch die eigene Entwicklung und Erfahrung die Geschichte begreifen und in Beziehung setzen.
Weitergabe der eigenen Erfahrung
Das ist ein vielen von uns bekanntes Beispiel für eine Verbindung von Religion und Erleuchtung, auch wenn einige es nicht so benennen würden. Das Kind erfährt noch viele andere Erfahrungen dieser Art und wird langsam auf seine zukünftige Elternrolle vorbereitet.
In der Regel geben sie dann das weiter, was sie selbst erfahren haben. Als Eltern nehmen sie ihre Bemühungen ernst, unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Geschichte und inszenieren sie wiederholt für ihre Kinder.
Dieses liebevolle Bemühen kommt aus der Erleuchtung heraus, die die Eltern (oder ein Elternteil) selbst gehabt haben: dies wollen sie nun ihren Kindern zukommen lassen. Sie lassen sich durch ihre Erfahrung und Intuition leiten und gehen die Weihnachtsmanngeschichte nicht mit rational/analytischem Wissen an. Es gibt natürlich auch Menschen, die sich aufgrund einer bestimmten Überzeugung anders zu so einer Geschichte verhalten. Und wie beurteilen und stehen wir selbst zu Menschen, die als Erwachsene am Kamin sitzen und mit voller Überzeugung auf den Weihnachtsmann warten, oder die mit großer Anstrengung die Lüge der Geschichte aufdecken möchten, oder jene wiederum, die ernsthaft von sich behaupten, der Weihnachtsmann zu sein?
Wie kommt es, daß Leute mit so vehement konträren Ansichten darüber diskutieren, wer nun recht hat und wer nicht. Warum bleiben sie an der Oberfläche der Geschichte haften, anstatt einfach den Nutzen aus ihr zu ziehen?
Das unbedingte Rechthabenwollen
Ich möchte dazu ein anderes Beispiel geben: wenn mehrere Personen zu einer Party eingeladen sind, wird jeder sein Transportmittel wählen, um das Fest zu erreichen. Ein Autofahrer schwört auf sein Auto, ein Radfahrer aufs Rad, ein Fußgänger geht zu Fuß, und ein Anhänger der öffentlichen Verkehrsmittel bevorzugt das öffentliche Verkehrsnetz. Wenn schließlich alle angekommen sind, ist nur das erreichte Ziel von Bedeutung. Man wird nicht sagen, daß eine Meinung/Wahl eines (Transport)mittels falsch war. Warum fällt es uns so schwer, das von Vornherein zu erkennen?